Gedächtnisprotokoll eines Interviews mit einer Pankower Dame
D: Sind Sie das erste Mal am Schloss Schönhausen?
E: Nein. Also ich nicht, mein Freund schon. Derzeit bearbeite ich ein Projekt zur Via Imperii zwischen der Kulturbrauerei und Bernau. Der Weg führt ja direkt hier vorbei, deshalb wollten wir uns nochmal genauer das Schloss anschauen.
D: Kennen Sie denn schon die Königseiche?
E: Nein, was ist das denn? Ich weiß nur, dass es hier Bäume gibt, die quasi ausgehöhlt sind und wo Kinder rein können.
D: Ja, das sind die [...], die stehen ja direkt hier. Schauen Sie mal, hier hat 2010 der Blitz eingeschlagen. Die wollten den Baum damals schon fällen, aber ich habe mich dann an den Baumpapst aus der DDR gewandt und der meinte, der würde sich wieder regenerieren. Und was soll ich sagen? Der Baum ist wieder nachgewachsen, das sehen Sie auch ganz gut. Schauen Sie mal hier. Ich bin jeden Tag hier im Park und streichle den Baum, so bilde ich mir zumindest ein, konnte ich den Baum ein bisschen bei seiner Genesung unterstützen.
E: Das ist ja ein schöner Gedanke!
D: Ja. Vor einer Weile haben hier ein paar Leute den Baum angemalt. Als ich das gesehen habe, standen Kinder daneben. Ich habe sie gefragt, ob sie das waren. ‚Nein‘ haben sie gesagt, also ging ich weiter. Da fand ich einen Pinsel auf der Wiese. Kurz danach kam eine Mutter angerannt ‚Ah da ist ja der Pinsel, vielen Dank‘. Da habe ich sie gefragt, ob sie das waren mit der Bemalung. ‚Das ist doch nur Wasserfarbe‘ sagte sie. Können Sie sich das vorstellen, dass man Sie einfach mit Wasserfarbe anmalt? [fasst mir dabei an die Schulter]
[wir gehen weiter Richtung Gartenhäuschen] Schauen Sie mal, die Bäume hier sind oben ganz verdörrt, das war der Borkenkäfer. [laufen weiter] So, das hier ist die Königseiche. Ist doch schön oder?
E: Ja, die ist ja toll. Und warum heißt die Königseiche?
D: Weil das wohl einer der letzten Bäume ist, der noch aus der ursprünglichen Bepflanzung von Elisabeth Christin ist. [wir laufen weiter] Hier war damals ein Weg, der auf das Schloss zuging. Das ist übrigens die einzige Mauer, die ich toleriere. Die wurde zu Zeiten Wilhelm Piecks gebaut, zum Schutz des Präsidenten. Im Park standen auch damals richtig schöne Bänke, auch außerhalb der Mauer. Zu Zeiten Elisabeth Christins war der Park ja noch viel größer. Ich kann mich erinnern, dass wir ich glaube 93 den Geburtstag meines Sohnes gefeiert haben, da standen sie noch da. Und dann müssen die in einer Nacht und Nebel Aktion geklaut worden sein. Wenige Bänke sind noch erhalten, die sind jetzt im Depot eingelagert. Ähnliches ist auch mit vielen Bronzestatuen hier im Park passiert, die wurden auch einfach geklaut. Bei der einen haben wir den Bezirk noch gewarnt, dass eine Statue locker war und nicht mehr fest im Boden verankert. Der Bezirk hat es ignoriert und tja, jetzt ist sie weg.
[…]
D: Nach der Wende verfiel das Schloss übrigens stark und es wurde darüber nachgedacht, das Schloss an einen Privatmann zu verkaufen. Daraufhin hat sich eine Bürgerinitiative gebildet, bei der auch der Freundeskreis der Pankower Chronik mitgewirkt hat. Die haben sich dann eine Abrissbirne organisiert und sich vor das Schloss gestellt ‚Wenn ihr das Schloss mit seiner Geschichte und den Schätzen verkauft, reißen wir es lieber ab. Das Schloss soll nicht privatisiert werden‘. Da wäre ich so gerne dabei gewesen, leider war ich damals zu dem Zeitpunkt nicht in der Stadt. Aber es hat ja funktioniert, heute ist es ein öffentlich zugänglicher Ort und die Hinterlassenschaften Elisabeth Christins sind noch einsehbar.
[…]
D: So, wenn Sie jetzt mal nach links schauen. Damals war dort [zeigt in den Park, Richtung Sitzecke], wo heute diese Sitzbänke stehen, ein großes Zelt aufgebaut. 1973, als hier die Weltfestspiele der Jugend stattgefunden haben, war dort eine Krankenstation aufgebaut, in der ich als Krankenschwester eingeteilt war. Und einen Tag, das war ganz lustig, da bin ich sehr spät zum Dienst dran gewesen. Ich kam aus _[weiß ich nicht mehr]_ hergefahren mit meinem Trabant und dann stand am Tor eine Wache und hat mich dann gefragt, wer ich sei und was ich hier wolle. Und dann sagte ich, dass ich zum Dienst eingeteilt sei. Daraufhin sollte ich mich ausweisen, aber wie es eben so war, hatte ich meinen Dienstausweis zu Hause vergessen. Der Wächter meinte, ich solle umdrehen und den Ausweis von zu Hause holen. Also in diesem Ton, das habe ich ja noch nie so richtig respektieren können, da musste ich stark an mich halten, um mir ein Grinsen zu verkneifen. Naja ich meinte dann jedenfalls nein, das kommt nicht in Frage, mein Dienst beginnt in einer Viertel Stunde. Und dann habe ich gesagt, er solle meinen Vorgesetzten ans Telefon holen, der solle mich verifizieren. Er ist dann vor zum Tor gekommen und man hat mich reingelassen.
Eine Situation gab es da auch noch, da muss bei den Amis irgendwas mit den Indianern gewesen sein. Jedenfalls kam einen Tag ein wunderschöner Mann – ich habe noch nie in meinem Leben so einen schönen Mann gesehen, groß gebaut, stark, majestätisch, athletisch, sportlich mit einem bunten Gewand und Federn geschmückt. Ich fragte ihn, was er hat. Augenscheinlich ging es ihm nicht so gut, wurde wahrscheinlich bei den ganzen bekannten Persönlichkeiten schon gut rumgereicht. Ich sagte ihm, er solle sich einen Moment hinlegen und sich ausruhen und gab ihm ein zwei Medikamente und dann war es auch schon gut. Er war wahrscheinlich nur ein bisschen überanstrengt und sicherlich überfordert mit der ganzen Situation.
Und dann gab es noch eine Situation, da wurden wir gerufen in das Zimmer, wo die Politiker und Diplomaten getagt hatten. Ein toller Raum mit großem Teppich, wahrscheinlich aus dem Orient und großen Vasen, vermutlich aus dem ägyptischen Raum. Und dann saß an diesem langen Tisch ein Mann von der französischen Delegation, der ein Büchlein auf seinem Schoß hatte, in dem bestimmt in 10 Sprachen stand ‚mir ist schlecht‘. Er zeigt auf die Deutsche Übersetzung. Ich wollte wissen, wo ihm schlecht war und zeigte auf den Kopf, auf den Hals und in dem Moment, als ich auf den Bauch zeigte, musste er sich übergeben. Also nahm ich eine dieser teuren Vasen und ließ ihn da rein spucken.
E: [schaut ungläubig & lacht]
D: Naja was hätte ich machen sollen? Der Teppich wäre schlimmer gewesen.