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Jüdisches Waisenhaus Pankow
Jüdisches Waisenhaus Pankow © tic / Friedel Kantaut

Jüdisches Waisenhaus Pankow

Das repräsentative Gebäude wurde ab 1912 durch den Baumeister der Berliner Jüdischen Gemeinde, Alexander Beer (1873-1944 Theresienstadt), im neobarocken Stil errichtet und 1913 eingeweiht.

Das großzügig ausgestattete Heim besaß eine Schule und einen Synagogenraum mit einer prunkvollen, heute restaurierten Kassettendecke, die der Zigarettenfabrikant Josef Garbáty-Rosenthal (1851-1939) gestiftet hatte. 1906 war der Unternehmer mit seiner Fabrik von der Schönhauser Allee auf ein dem Jüdischen Waisenhaus benachbartes Grundstück umgesiedelt. 1938 zwangen die Nazis die Garbáty-Familie, ihren Besitz zu verkaufen. Die Familie emigrierte 1939 in die USA. Josef Garbáty-Rosenthal starb im selben Jahr in Berlin. Die Villa in der Berliner Straße 126/127, in der Garbáty seit 1901 wohnte, wurde ebenfalls „arisiert“. Von 1945 bis 1989 nutzte Bulgarien die Villa als Botschaftsgebäude. Zu Ehren des sozial engagierten Firmengründers wurde 2000 der Platz vor den Bahnhöfen der S- und U-Bahn (eröffnet 1914 bzw. 2000) nach Garbáty benannt, 2002 das Denkzeichen auf dem Garbátyplatz eingeweiht und 2003 eine Erinnerungsplatte in den Boden eingelassen. Das Waisenhaus, in dem bis zu 100 Kinder ein Zuhause gefunden hatten, wurde 1940 zwangsweise geschlossen, 1942 von der SS beschlagnahmt und ab 1943 vom SS-Reichssicherheitshauptamt als Zentrale Sichtvermerkstelle genutzt. Nahezu die Hälfte aller Kinder, Lehrer und Angestellten, die damals im Waisenhaus gelebt und gearbeitet hatten, wurde 1942/43 in Vernichtungslagern ermordet. Wenigen Waisenkindern gelang mit Hilfe ihrer Lehrer die Flucht. Eine Gedenkwand in der Bibliothek des ehemaligen Waisenhauses erinnert heute an die während der Zeit der Nazidiktatur deportierten und ermordeten etwa 600 jüdischen Pankowerinnen und Pankower. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 waren in dem Haus das Bezirksamt Pankow, ab 1950 der Deutsche Sportbund, ab 1952 die polnische und von 1971 bis 1991 die kubanische Botschaft untergebracht. Die gemeinnützige „Dr. Walter und Margarete Cajewitz Stiftung“ kaufte 1999 das leer stehende Gebäude und ließ es nach historischem Vorbild restaurieren. 2001 wurde das Haus als Begegnungsstätte und modernes Kulturzentrum, mit einem Veranstaltungssaal (dem ehemaligen Synagogenraum) und der öffentlichen Janusz-Korczak-Bibliothek (mit 90 000 Medieneinheiten), sowie Sitz sozialer Einrichtungen wieder eröffnet. Ein Förderverein Jüdisches Waisenhaus e.V. pflegt Stätten jüdischer Kultur und erforscht jüdisches Leben in Pankow, das in dem Gebäude eine Gedenkstätte hat. Den 2002 rekonstruierten Schriftzug am Haus stiftete Thomas Garbáty, Enkel Josef Garbátys. Die Granit-Skulptur „Der Steinhändler“, dessen Name ein von dem Schriftsteller Thomas Brasch (1945-2001) stammendes Wortspiel aus „Stein“ und „Hände“ ist, schuf der Berliner Bildhauer und Maler Alexander Polzin in Israel (Bronzetafel am Zaun).

© Ulrich Werner Grimm

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